Die ältesten Höhlenzeichnungen und Malereien werden auf fast 44.000 Jahre datiert, an mehreren Orten auf der Erde! Frühmenschen waren schon in der Lage, Symbole zu verwenden, hatten offensichtlich das Bedürfnis sich „auszudrücken“, was den Schluss zulässt, dass jeder Mensch über schöpferisches Potenzial und Kreativität verfügt.
In unseren Häusern bieten wir allen Bewohner:innen die Möglichkeit, sich kreativ durch Malen auszudrücken. Der Fokus liegt dabei auf einer bedürfnisorientierten Begleitung, die individuelle, eigendynamische Prozesse fördert und das allgemeine Wohlbefinden steigert. Es geht nicht um das Erreichen eines „schönen Bildes“, sondern darum, die Teilnehmer auf einer ergebnisoffenen Reise in die Kunst zu begleiten, ihre Welt neu zu erleben.
In den Häusern der Evangelischen Altenhilfe wird Kunst in den Alltag integriert und fördert auf verschiedenen Ebenen Begegnung und Kommunikation. Die Angebote sind situativ, jahreszeitlich sowie bedürfnisorientiert und berücksichtigen den personenzentrierten Ansatz. Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Bereichen wie Pflege, Musikgeragogik und Bewegungstherapie sowie Angehörige werden eng in den therapeutisch-rehabilitativen Prozess einbezogen. Kunst schafft Erfolgserlebnisse, stärkt das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und fördert das Vertrauen in die Einrichtung als Lebensumfeld.
In der Kunsttherapie spielen Konturen und Linien eine zentrale Rolle, indem sie Orientierung bieten und die Feinmotorik fördern. Besonders Mandalas haben eine zentrierende, meditative Wirkung, die das Selbstbewusstsein stärkt. Vorgefertigte Motive wecken Erinnerungen und schaffen eine Reise zu sich selbst, die fröhlich und energiebringend ist. Gleichzeitig können belastende Erlebnisse durch Farben und Formen Ausdruck finden und in der Gemeinschaft der Gruppe bearbeitet werden. Kunstgeschichte und Biographien von Künstler:innen inspirieren zu eigenen kreativen Ausdrucksformen und helfen, Sprachlosigkeit zu überwinden.
So wird Kunst zu einem wichtigen Kommunikationsmittel und bringt Momente der Zufriedenheit.
Das kreative Gestalten in der Gruppe fördert Ruhe, Konzentration und Entspannung, indem es ein sinnerfülltes, gegenwartsbezogenes Erlebnis schafft. Die Kunst stärkt das Selbstwertgefühl und das Wir-Gefühl, da die Werke regelmäßig ausgestellt und von anderen wertgeschätzt werden. Der Prozess ist wertfrei, ohne „Richtig“ oder „Falsch“, und lässt Raum für individuelle Ausdrucksformen, die aus der Biografie der Teilnehmenden hervorgehen. Ob durch die Präzision eines Buchdruckers oder die Freude einer Erzieherin – das kreative Schaffen spiegelt unterschiedliche Lebensgeschichten wider.
Diese Aktivität führt zu einer positiven Energie, die mit der Unbeschwertheit der Kindheit verbunden ist und den Teilnehmenden hilft, neue Lust am Tun zu entwickeln.
Das Malen wird oft von Singen und Bewegung begleitet und führt zu emotionalen Momenten: Tränen und Lachen wechseln sich ab, und Erinnerungen kommen spontan ans Licht. Verborgene Erlebnisse werden wieder wach, sei es ein „Segelboot“ oder ein „Barfuß-Spaziergang am Strand“.
Auch für Bewohner:innen mit Handicaps wie Seh- oder Gelenkproblemen wird ein breites Spektrum an Materialien und Techniken bereitgestellt, die das selbstständige Tun fördern und den Teilnehmenden Freude und Erfolgserlebnisse bringen. Dies stärkt nicht nur die Kreativität, sondern kann sich auch positiv auf andere Lebensbereiche wie Bewegung und Lebensqualität auswirken.
Die Dynamik der Gruppe leitet den Prozess, wobei bei Bedarf individuelle Betreuung angeboten wird.
Durch das gemeinsame kreative Tun wachsen Beziehungen und Bindungen. Bewohner:innen erleben, wie sie nach physischen Herausforderungen, wie einem Bruch oder Krankenhausaufenthalt, wieder zu ihren Fähigkeiten finden. Das Schenken eines selbstgemalten Bildes an geliebte Menschen wird zu einem symbolischen Akt, der Selbstwert und Stolz stärkt. Bei den Besprechungen der „Ergebnisse“ kommen Wertschätzung und das Bewusstsein für die eigene Identität und den Lebensmittelpunkt in der Einrichtung zum Ausdruck.
Aussagen wie „Wir haben heute was geschafft“ oder „Das hat mir viel Spaß gemacht“ zeigen, wie das Entdecken des eigenen kreativen Potenzials nicht nur Grenzen überschreitet, sondern auch Erinnerungen an vergangene Erlebnisse aktiviert, die das kreative Selbstvertrauen fördern.
Inspiriert durch Natur und Erinnerungen entsteht eine tiefgreifende künstlerische Auseinandersetzung mit dem Leben. Bilder wie der Nebel auf der Ruhr, die Golden Gate Bridge oder ein kunterbuntes Bild der Sonne und des Mondes bieten nicht nur visuelle Ausdrucksformen, sondern auch eine Möglichkeit zur Entspannung und zum Trost. Diese kreative Arbeit ermöglicht es, das Schweigen zu überwinden, Missverständnisse zu klären und neue Perspektiven zu eröffnen. Sie fördert das Loslassen und hilft sowohl den Bewohnern als auch den Angehörigen, inneren Frieden zu finden – ein zutiefst gestaltender und ganzheitlicher Prozess.